Altert unser Zellkern geschlechtsspezifisch? Frauen und Männer unterscheiden sich nicht nur hormonell, sondern auch auf zellulärer Ebene. Die Telomerlänge, ein zentraler Marker für biologische Alterung, zeigt in Studien systematische Unterschiede zwischen den Geschlechtern – mit spannenden Implikationen für Prävention, Gesundheit und Langlebigkeit.
Frauen haben im Schnitt längere Telomere
Zahlreiche Studien zeigen, dass Frauen tendenziell längere Telomere haben als Männer – bereits ab Geburt. Dieser Unterschied bleibt meist bis ins höhere Alter bestehen. Als Ursache gelten u. a. hormonelle Faktoren (z. B. Östrogene) und Unterschiede im oxidativen Stress.
Der Östrogen-Effekt
Östrogene haben eine antioxidative Wirkung und fördern die Aktivität der Telomerase – des Enzyms, das Telomere regenerieren kann. Besonders prämenopausal profitieren Frauen von diesem hormonellen Zellschutz. In der Menopause, mit sinkenden Östrogenspiegeln, beschleunigt sich auch bei Frauen die Telomerverkürzung.
Männer: höherer Zellstress, kürzere Telomere
Männer weisen oft höhere Spiegel an oxidativem Stress und proentzündlichen Markern auf – zwei Faktoren, die mit beschleunigter Telomerverkürzung korrelieren. Zudem beeinflusst Testosteron möglicherweise die Telomerdynamik, wenngleich hier die Studienlage heterogener ist.
Schwangerschaft, Stillzeit, Telomere?
Ein interessanter Aspekt: Während der Schwangerschaft zeigen Frauen teilweise temporär veränderte Telomerlängen. Auch Stillzeit, Geburtsalter und Anzahl der Geburten stehen im Zusammenhang mit der Telomerlänge – allerdings sind die biologischen Mechanismen noch nicht abschließend geklärt.
Lebensstilunterschiede zwischen den Geschlechtern
Nicht nur Biologie zählt: Männer und Frauen unterscheiden sich auch in Lebensstilfaktoren – z. B. Ernährung, Stressverarbeitung, Risikoverhalten –, die indirekt auf Telomerverkürzung wirken. Ein geschlechtsspezifischer Longevity-Ansatz berücksichtigt daher beide Ebenen: Biologie + Verhalten.
Fazit: Telomerpflege braucht gendersensible Strategien
Die Forschung zeigt klar: Frauen und Männer altern auf Zellebene unterschiedlich. Hormone, oxidativer Stress und Lebensstil wirken unterschiedlich stark auf die Telomerlänge ein. Für eine wirkungsvolle Longevity-Strategie sollten geschlechtsspezifische Unterschiede daher mehr Beachtung finden – in Prävention, Therapie und Health Coaching.
Quellen:
- Aviv A. Telomeres and human somatic biology. Mutat Res. 2008;659(1-2):9–16. PMID: 18486093
- Barrett ELB, Richardson DS. Sex differences in telomeres and lifespan. Aging Cell. 2011;10(6):913–21. PMID: 21834837
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- Stindl R. The paradox of longer telomeres in women: Higher telomerase activity or selection bias? J Aging Res. 2012;2012:673638. PMID: 22778920
- Eisenberg DT. Telomere length and reproduction in humans. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2011;18(3):232–8. PMID: 21415723